„Klowes“

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Von Werner Guth


Für die Kinder in Nordhessen ist der 6. Dezember traditionell ein wichtiger Tag: Erstens ist morgens der Stiefel vor der Schlafzimmertür mit Süßigkeiten gefüllt, die nachts der Nikolaus gebracht hat, zweitens ist abends „Klowes-Abend“: Die Kinder gehen vermummt von Tür zu Tür, um nach dem Aufsagen eines Sprüchleins kleine Gaben in Empfang zu nehmen.

Daß Klowes eine mundartliche Form von Nikolaus ist, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist vermutlich, daß Clobes, Klobes (gesprochen: Klowes) bei uns bis ins 18. Jh. ein ganz regulärer Vorname war, vgl. etwa: Clobes Sundheim, Besse 1674, Clobes Wenderoth, Elfershausen 1705, Clobes Viehmann, Wahlershausen 1719.

Wie mag sich die Entwicklung von Nikolaus zu Klobes erklären lassen?

Die ursprüngliche Namenform ist griechisch: Nikolaos. Die Griechen bildeten – wie auch Germanen, Slawen und andere indogermanische Völkerschaften – vor allem zweigliedrige Namen. Nikolaos ist zusammengesetzt aus nikos ‚Sieg‘ und laos ‚Volk‘ (vgl. deutsch Sieg-fried und Volk-mar).

Nikolaus von Myra

Der Name Nikolaos wäre vermutlich wie viele andere antike Namen längst vergessen, hätte es nicht im 4. Jh. jenen berühmten Nikolaos gegeben, der als St. Nikolaus bis heute im Gedächtnis der Christenheit lebendig geblieben ist. Nikolaos war Bischof von Myra in Lykien (heutige Türkei). Bei der letzten Christenverfolgung unter Kaiser Galerius um 310 wurde er eingekerkert und mißhandelt. Im Jahre 325 nahm er an dem für die Kirchengeschichte so wichtigen Konzil in Nikäa teil. Er starb an einem 6. Dezember um 350. Nikolaos muß eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein. Viele Legenden ranken sich um ihn. Sein Kult, bereits im 6. Jh. nachweisbar, verbreitete sich im Mittelalter übers ganze Abendland.

Die Kirchensprache im Westen war Latein. Der Name des Heiligen wurde also latinisiert, und zwar zu Nicolaus. Wie viele andere Heiligen-Namen wurde auch Nicolaus als Taufnahme vergeben. Seit dem 13. Jh. ist er als solcher in Nordhessen nachweisbar, z.B. Nycolaus dictus Elsezere, Alsfeld 1263, Nycolaus dictus Schauenfuis, Alsfeld 1334, Nycolaus dictus Ratz, Eschwege 1339, Nicolaus de Cornice, Fritzlar 1390.

Wir betonen den Namen Nikolaus heutzutage auf der ersten Silbe. Da die frühere Betonung weiter hinten lag, genauer: auf dem a, kam es schon früh zu den Kürzungen Niclaus und vor allem Claus, z.B. Niclaus Bonfuz, Alsfeld 1352, Claus Eymer, Marburg 1394, Klaus Kammersmed, Fritzlar 1428.

Solch „mundgerechte“ Namenkürzungen sind ein bekanntes Phänomen. Die Kürzungen Niclaus und Claus boten zwar eine Ausspracheerleichterung, aber nicht in dem Maße, wie wir Heutige meinen könnten: Das mittelalterliche Deutsch kannte nämlich kein au. Unser heutiges au geht zurück 1) auf altes ou, vgl. mittelhochdeutsch boum, troum, ouge, gelouben, 2) auf altes langes u, vgl. hûs, mûs, mûl, brûchen. Da der Diphthong au fehlte, sprach man a und u getrennt aus: Nic(o)lá-us, Clá-us (letzteres zweisilbig). Trotzdem: Auch so blieb a + u eine fürs Deutsche ungewöhnliche Lautkombination, der man sich (unbewußt) zu entledigen suchte. Man vereinfachte, indem man das u „wegkürzte“, z. B. Niclaes NN., Marburg 1333 (e ist ohne Lautwert, markiert Länge des a), Niclas Gunz, Treysa 1546, Claes Hossenhusen, Marburg 1460, Klas Gutter, Nothfelden 1546.

Eine zweite Möglichkeit: Man wandelte in Cla-us unter Zuhilfenahme eines e als Stützvokal das u zu w (Aussprache des w im Mittelalter u-ähnlich wie im Englischen). So ergab sich Cla-wes, z.B. Klawes Mergewaldes, Marburg 1399, Clawes Wilhelm, Reichensachsen 1519. Das w wurde später meist als b wiedergegeben, vgl. Clabis Smucke, Kassel 1457. Als bald nach 1400 langes a dialektal zu offenem o wurde, erscheint Clabes zunehmend als Clobes, z.B. Clobeß Moller, Witzenhausen 1493, Clobes Bier, Sichertshausen 1529, Clobus Sybelhenn, Melsungen 1553.


Aus: Der Mundart-Kurier – Mitteilungen der Gesellschaft für Nordhessische Mundarten, Nr. 11, 2007, S. 16; ebd. ohne Abb.


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