Pingesten

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O Pingesten, du rare Zitt!<br />
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::::O Pingesten, du rare Zitt!<br />
Wie gehd me d’s Herze uff so widd,<br />
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::::Wie gehd me d’s Herze uff so widd,<br />
Wil du, minn liewes Pingestfest,<br />
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::::Wil du, minn liewes Pingestfest,<br />
Uffs neie vor d’r Däre best.<br />
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::::Uffs neie vor d’r Däre best.<br />
Midd aller Forschede ziehd’s mich nus<br />
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::::Midd aller Forschede ziehd’s mich nus<br />
Us minnem engen, dumben Hus,<br />
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::::Us minnem engen, dumben Hus,<br />
Us Angest, Nod un Herzeleid<br />
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::::Us Angest, Nod un Herzeleid<br />
Ninn in de Frihlingsherrlichkeid.<br />
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::::Ninn in de Frihlingsherrlichkeid.<br />
D’r Wender es au gar zu langk,<br />
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::::D’r Wender es au gar zu langk,<br />
An Libb un Seele werd me krank<br />
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::::An Libb un Seele werd me krank<br />
Vor ludder Owwendunst un Kille;<br />
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::::Vor ludder Owwendunst un Kille;<br />
Jitz awer, Mensch, midd Kla’n schwigg stille,<br />
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::::Jitz awer, Mensch, midd Kla’n schwigg stille,<br />
Jitz kannst de an d’n Frihlingksgawen<br />
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::::Jitz kannst de an d’n Frihlingksgawen<br />
Des stowwenbleede Auge lawen. –<br />
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::::Des stowwenbleede Auge lawen. –<br />
Wie hodd sich alles nei geschmicked!<br />
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::::Wie hodd sich alles nei geschmicked!<br />
D’r griene Rasen es gesticked<br />
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::::D’r griene Rasen es gesticked<br />
Midd Millejonen Bliemerchen,<br />
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::::Midd Millejonen Bliemerchen,<br />
Midd Glitzerchen und Flimmerchen<br />
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::::Midd Glitzerchen und Flimmerchen<br />
Vum Himmelsdhau, der ewwer Nachd<br />
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::::Vum Himmelsdhau, der ewwer Nachd<br />
De Äre hodd so frisch gemachd.<br />
+
::::De Äre hodd so frisch gemachd.<br />
Was nuhrd an Grien, an Blumen, Blihden<br />
+
::::Was nuhrd an Grien, an Blumen, Blihden<br />
D’r välbesungene Mai kann bieden,<br />
+
::::D’r välbesungene Mai kann bieden,<br />
Das bend’d hä uns als Abschiedsgruß<br />
+
::::Das bend’d hä uns als Abschiedsgruß<br />
Zum allerliewesten Pingeststruß.<br />
+
::::Zum allerliewesten Pingeststruß.<br />
Maigleckerchen, de dufdig zarden,<br />
+
::::Maigleckerchen, de dufdig zarden,<br />
Se kunnden knabb de Zitt abwaarden<br />
+
::::Se kunnden knabb de Zitt abwaarden<br />
Un schlubbden, Storm un Riff zum Drutze,<br />
+
::::Un schlubbden, Storm un Riff zum Drutze,<br />
Us ährer schitzenden Kabutze,<br />
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::::Us ährer schitzenden Kabutze,<br />
Vergißmeinnichderchen, genau<br />
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::::Vergißmeinnichderchen, genau<br />
Wie Engelsaiglerchen so blau,<br />
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::::Wie Engelsaiglerchen so blau,<br />
Begucken sich an allen Quellen<br />
+
::::Begucken sich an allen Quellen<br />
Das lustige Hibben vun d’n Wellen.<br />
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::::Das lustige Hibben vun d’n Wellen.<br />
„Scheen guden Dag!“ dhun einem bieden<br />
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::::„Scheen guden Dag!“ dhun einem bieden<br />
Stiefmidderchen in Sammedhihden,<br />
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::::Stiefmidderchen in Sammedhihden,<br />
Un frendlich lachen allerwegen<br />
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::::Un frendlich lachen allerwegen<br />
De bunden Briemelen mä endgegen.<br />
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::::De bunden Briemelen mä endgegen.<br />
De Dulebanen, die stulzieren,<br />
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::::De Dulebanen, die stulzieren,<br />
Dhun ähre Kelche bresendieren;<br />
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::::Dhun ähre Kelche bresendieren;<br />
De Bähnen fliegen us un in<br />
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::::De Bähnen fliegen us un in<br />
Un nibben vun dem Himmelswinn.<br />
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::::Un nibben vun dem Himmelswinn.<br />
Vun gälen Nelken un den scheenen<br />
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::::Vun gälen Nelken un den scheenen<br />
Lilla un wissen Zidderenen<br />
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::::Lilla un wissen Zidderenen<br />
Erfilld de werzige Friehlingkslufd<br />
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::::Erfilld de werzige Friehlingkslufd<br />
En wunnerlieblich feiner Dufd;<br />
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::::En wunnerlieblich feiner Dufd;<br />
Un alle Stricher, alle Hecken<br />
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::::Un alle Stricher, alle Hecken<br />
Drah’n ähre richsten Bliedendecken.<br />
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::::Drah’n ähre richsten Bliedendecken.<br />
D’r Abbelbaum in hehchsder Brachd<br />
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::::D’r Abbelbaum in hehchsder Brachd<br />
Stehd wie en herrliches Gedichde,<br />
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::::Stehd wie en herrliches Gedichde,<br />
Wie wann des scheenste Kendsgesichde<br />
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::::Wie wann des scheenste Kendsgesichde<br />
Vull Unschuld ei’m endgegenlachd.<br />
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::::Vull Unschuld ei’m endgegenlachd.<br />
D’r Berenbaum, der es so wiß,<br />
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::::D’r Berenbaum, der es so wiß,<br />
Als wer’ midd Linnen hä behänged,<br />
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::::Als wer’ midd Linnen hä behänged,<br />
Wil dichte an ’nem jeden Ris<br />
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::::Wil dichte an ’nem jeden Ris<br />
Sich Blihde alzd an Blihde dränged;<br />
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::::Sich Blihde alzd an Blihde dränged;<br />
Un dhied de Lufd sich leise regen,<br />
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::::Un dhied de Lufd sich leise regen,<br />
Dann zisseld se vum Blihdensegen<br />
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::::Dann zisseld se vum Blihdensegen<br />
De Blädderchen alszd us d’r Heh’:<br />
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::::De Blädderchen alszd us d’r Heh’:<br />
Das es d’r echte Pingestschnee.<br />
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::::Das es d’r echte Pingestschnee.<br />
Un seh ich den Kastanjelbaum<br />
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::::Un seh ich den Kastanjelbaum<br />
Midd sinnen wiß un roden Kerzen,<br />
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::::Midd sinnen wiß un roden Kerzen,<br />
Werd mä lawendig in d’m Herzen<br />
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::::Werd mä lawendig in d’m Herzen<br />
Och! so en sihßer Christdagsdraum.<br />
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::::Och! so en sihßer Christdagsdraum.<br />
An dunkelen Dannenzweigen sitzen<br />
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::::An dunkelen Dannenzweigen sitzen<br />
Gar weiche, maiengriene Spitzen,<br />
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::::Gar weiche, maiengriene Spitzen,<br />
Die griffen noh d’m Sunnenscheine<br />
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::::Die griffen noh d’m Sunnenscheine<br />
Wie Kennerfinger, zarde, feine.<br />
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::::Wie Kennerfinger, zarde, feine.<br />
Un wann ich in d’n Wald ninn geh’<br />
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::::Un wann ich in d’n Wald ninn geh’<br />
Un an den Baimen nuffer seh’,<br />
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::::Un an den Baimen nuffer seh’,<br />
Wie do des helle Sunnenlichd<br />
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::::Wie do des helle Sunnenlichd<br />
Das griene Blädderdach dorchbrichd,<br />
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::::Das griene Blädderdach dorchbrichd,<br />
Un ’s moold sich do so wunnerhold,<br />
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::::Un ’s moold sich do so wunnerhold,<br />
Als wer’s purenzig glihning Gold:<br />
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::::Als wer’s purenzig glihning Gold:<br />
Dann es minn Auge wunnedrunken<br />
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::::Dann es minn Auge wunnedrunken<br />
In desse Allmachd ganz versunken.<br />
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::::In desse Allmachd ganz versunken.<br />
O magesteedsche Pingestzitt,<br />
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::::O magesteedsche Pingestzitt,<br />
Wie du – was Scheeneres giwwed ’s nit!<br />
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::::Wie du – was Scheeneres giwwed ’s nit!<br />
All ewwerall, wohenn me gicked,<br />
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::::All ewwerall, wohenn me gicked,<br />
Werd Herz un Auge hoch endzicked;<br />
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::::Werd Herz un Auge hoch endzicked;<br />
Wie stehd de Weld so himmlisch reine<br />
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::::Wie stehd de Weld so himmlisch reine<br />
Im warmen Pingestsunnenscheine!<br />
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::::Im warmen Pingestsunnenscheine!<br />
Dorch sinne Zauwermachd, do kimmed,<br />
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::::Dorch sinne Zauwermachd, do kimmed,<br />
Was fliegd un laifd un kruffd un schwimmed,<br />
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::::Was fliegd un laifd un kruffd un schwimmed,<br />
Zu neiem Läwen, neiem Liewen,<br />
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::::Zu neiem Läwen, neiem Liewen,<br />
Do well au nicks zeruckebliewen.<br />
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::::Do well au nicks zeruckebliewen.<br />
De Lerche stiggd, hell juwelierend,<br />
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::::De Lerche stiggd, hell juwelierend,<br />
 
Des Himmelszeld bienoh berihrend,<br />
 
Des Himmelszeld bienoh berihrend,<br />
 
Als wull se ähren Dank midd Singen<br />
 
Als wull se ähren Dank midd Singen<br />

Version vom 19. März 2012, 18:49 Uhr

Gedicht in Kasseler Mundart von Heinrich Jonas (1840 - 1905).

Text


Pingesten


O Pingesten, du rare Zitt!
Wie gehd me d’s Herze uff so widd,
Wil du, minn liewes Pingestfest,
Uffs neie vor d’r Däre best.
Midd aller Forschede ziehd’s mich nus
Us minnem engen, dumben Hus,
Us Angest, Nod un Herzeleid
Ninn in de Frihlingsherrlichkeid.
D’r Wender es au gar zu langk,
An Libb un Seele werd me krank
Vor ludder Owwendunst un Kille;
Jitz awer, Mensch, midd Kla’n schwigg stille,
Jitz kannst de an d’n Frihlingksgawen
Des stowwenbleede Auge lawen. –
Wie hodd sich alles nei geschmicked!
D’r griene Rasen es gesticked
Midd Millejonen Bliemerchen,
Midd Glitzerchen und Flimmerchen
Vum Himmelsdhau, der ewwer Nachd
De Äre hodd so frisch gemachd.
Was nuhrd an Grien, an Blumen, Blihden
D’r välbesungene Mai kann bieden,
Das bend’d hä uns als Abschiedsgruß
Zum allerliewesten Pingeststruß.
Maigleckerchen, de dufdig zarden,
Se kunnden knabb de Zitt abwaarden
Un schlubbden, Storm un Riff zum Drutze,
Us ährer schitzenden Kabutze,
Vergißmeinnichderchen, genau
Wie Engelsaiglerchen so blau,
Begucken sich an allen Quellen
Das lustige Hibben vun d’n Wellen.
„Scheen guden Dag!“ dhun einem bieden
Stiefmidderchen in Sammedhihden,
Un frendlich lachen allerwegen
De bunden Briemelen mä endgegen.
De Dulebanen, die stulzieren,
Dhun ähre Kelche bresendieren;
De Bähnen fliegen us un in
Un nibben vun dem Himmelswinn.
Vun gälen Nelken un den scheenen
Lilla un wissen Zidderenen
Erfilld de werzige Friehlingkslufd
En wunnerlieblich feiner Dufd;
Un alle Stricher, alle Hecken
Drah’n ähre richsten Bliedendecken.
D’r Abbelbaum in hehchsder Brachd
Stehd wie en herrliches Gedichde,
Wie wann des scheenste Kendsgesichde
Vull Unschuld ei’m endgegenlachd.
D’r Berenbaum, der es so wiß,
Als wer’ midd Linnen hä behänged,
Wil dichte an ’nem jeden Ris
Sich Blihde alzd an Blihde dränged;
Un dhied de Lufd sich leise regen,
Dann zisseld se vum Blihdensegen
De Blädderchen alszd us d’r Heh’:
Das es d’r echte Pingestschnee.
Un seh ich den Kastanjelbaum
Midd sinnen wiß un roden Kerzen,
Werd mä lawendig in d’m Herzen
Och! so en sihßer Christdagsdraum.
An dunkelen Dannenzweigen sitzen
Gar weiche, maiengriene Spitzen,
Die griffen noh d’m Sunnenscheine
Wie Kennerfinger, zarde, feine.
Un wann ich in d’n Wald ninn geh’
Un an den Baimen nuffer seh’,
Wie do des helle Sunnenlichd
Das griene Blädderdach dorchbrichd,
Un ’s moold sich do so wunnerhold,
Als wer’s purenzig glihning Gold:
Dann es minn Auge wunnedrunken
In desse Allmachd ganz versunken.
O magesteedsche Pingestzitt,
Wie du – was Scheeneres giwwed ’s nit!
All ewwerall, wohenn me gicked,
Werd Herz un Auge hoch endzicked;
Wie stehd de Weld so himmlisch reine
Im warmen Pingestsunnenscheine!
Dorch sinne Zauwermachd, do kimmed,
Was fliegd un laifd un kruffd un schwimmed,
Zu neiem Läwen, neiem Liewen,
Do well au nicks zeruckebliewen.
De Lerche stiggd, hell juwelierend,

Des Himmelszeld bienoh berihrend,
Als wull se ähren Dank midd Singen
D’m Herrgodd vor de Däre bringen;
Un nu de Nachdegall erschd gar,
Wie fleeded die so wunnerbar
Im nahen Busch, ganz ohne Forchd,
Daß alles stille stehd un horchd.
De Schwalwen suhsen krizz un quer
Midd Juchzen in d’r Lufd rimmher,
De Amscheln un de Finken schla’n
So lieblich, ’s es gar nit ze sa’n;
D’r Guckuck riefd, de Duwen gurren,
De Bähnen summen, Käwer schnurren;
De Schmedderlinge fladdern gaukelnd,
Se spählen Krichen in d’r Lufd,
Un henken an d’n Blumen schaukelnd
Un schlurfen do den sießen Dufd.
Im grienen Gras de Hibberlinge,
Was sinn die froh un guder Dinge,
Die honn noch ähren Exdraspaß:
Se strichen lustig ähre Geigen,
De Frösche orgelen d’n Baß.
Un dozu danzt 'en munderen Reigen
Des Mickenvulk alzd vor mä nus,
Un well nit weichen un nit wanken.
Do kimmed mä ’s so in Gedanken:
Das siehd doch aggerade us,
Als wull d’r Herrgodd domidd sa’n:
„Guckd uch das Mickenzigg nuhrd ahn –
Dä sehd, well das rechd glicklich sinn,
Dann danzd ’s zum Sunnenscheine ninn.
O Menschenkinner, hehrd un merked:
Was hier d’r Sunnenschein bewerked,
Bewerkd bie uch, wann dä nuhrd wudd,
de Liewe, die dä hegen sudd.
Wann dä hibsch frumm, zu jeder Zitt,
Bie allem, was dä sinnd un hanneld
Im Sunnenschein vun Liewe wanneld
Un wanked nit un stulberd nit –
Dann läwed dä wie im Mickenschwarme,
Öb hoch, öb nedderig, rich wie arme
In Indrachd un Glickseligkeid.
Un was des Herze uch bedricked,
Dä werfed ’s ab, das Sindenkleid,
Das do zesammen es geflicked
Us Hochmudh, Wullust, Haß un Neid,
Us Gizz un Eigennutzigkeid. –
Wann dä sulch hohches Ziel erstrewed,
In Christenliewe läwed un wewed –
Dann reded dä midd anneren Zungen
Un sidd vum Pingestgeist dorchdrungen.“

Quelle

  • Jonas, Heinrich: Der Kurferschd un das ahle Wibb us Zwehren un annere Geschichderchen un Gedichderchen in Kasseler Mundart. Hrsg. v. Horst Hamecher. Kassel 1992. S. 11 ff.

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