Der nu prei'sch cunfermirte Schorsche Botterwecke

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'''(Imme 1875)'''
 
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’s eß Vähles remm un demm gedreht!
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’s eß Vähles remm un demm gedreht!<br />
Au Not hott’s, daß me mich versteht,
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Au Not hott’s, daß me mich versteht,<br />
Wann ich so spreche, wie min Schnawel
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Wann ich so spreche, wie min Schnawel<br />
Gewachsen eß; dann wie in Bawel,
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Gewachsen eß; dann wie in Bawel,<br />
So eß ne Sprochverwirrung jetzt –
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So eß ne Sprochverwirrung jetzt –<br />
’s wärd vählerlei vähl Deitsch geschwätzt!
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’s wärd vählerlei vähl Deitsch geschwätzt!<br />
  
Vor „Leimen“ sprechen se jetzt „Lehm“,
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Vor „Leimen“ sprechen se jetzt „Lehm“,<br />
Vor „Lehnen“ sprechen se jetzt „Leihen“,
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Vor „Lehnen“ sprechen se jetzt „Leihen“,<br />
Un bale alle Liede sa’n
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Un bale alle Liede sa’n<br />
Nu „Maler“ vor’n Wißbinnersmann“.
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Nu „Maler“ vor’n Wißbinnersmann“.<br />
Ne „Drusel“ heißt en „Rinnstein“ jetzt –
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Ne „Drusel“ heißt en „Rinnstein“ jetzt –<br />
’s werd alles neimod’sch ewwersetzt!
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’s werd alles neimod’sch ewwersetzt!<br />
  
’s gibt au kein „Blechenschmidt“ nit mehr,
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’s gibt au kein „Blechenschmidt“ nit mehr,<br />
Die schriewen sich jetzt „Klempener“,
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Die schriewen sich jetzt „Klempener“,<br />
En „Dischler“ nennt me jetzt de „Schrinner“
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En „Dischler“ nennt me jetzt de „Schrinner“<br />
Un „Böttcher“ heißen de „Faßbenner“.
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Un „Böttcher“ heißen de „Faßbenner“.<br />
Un wann’s De nit so fein wedd schwätzen,
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Un wann’s De nit so fein wedd schwätzen,<br />
Geherste zu den Burenklätzen.
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Geherste zu den Burenklätzen.<br />
  
 
==Herzogs Beobachtungen==
 
==Herzogs Beobachtungen==

Version vom 23. Februar 2012, 11:08 Uhr

„Der nu prei’sch kunfermirte Schorsche Botterwecke …“ ist ein Gedicht in Kasseler Mundart von Hartmann Herzog, entstanden um 1875, vorgeblich ein Brief, in dem der Schreiber über mehrere Seiten hin Neuigkeiten aus Kassel mitteilt und kritisch betrachtet. Hier seien nur Strophen 2 – 4 wiedergegeben, die thematisch enger zusammengehören.

Inhaltsverzeichnis

Text

Der nu prei’sch kunfermirte
Schorsche Botterwecke
an sinn liewen Kunnerod
(Imme 1875)

’s eß Vähles remm un demm gedreht!
Au Not hott’s, daß me mich versteht,
Wann ich so spreche, wie min Schnawel
Gewachsen eß; dann wie in Bawel,
So eß ne Sprochverwirrung jetzt –
’s wärd vählerlei vähl Deitsch geschwätzt!

Vor „Leimen“ sprechen se jetzt „Lehm“,
Vor „Lehnen“ sprechen se jetzt „Leihen“,
Un bale alle Liede sa’n
Nu „Maler“ vor’n Wißbinnersmann“.
Ne „Drusel“ heißt en „Rinnstein“ jetzt –
’s werd alles neimod’sch ewwersetzt!

’s gibt au kein „Blechenschmidt“ nit mehr,
Die schriewen sich jetzt „Klempener“,
En „Dischler“ nennt me jetzt de „Schrinner“
Un „Böttcher“ heißen de „Faßbenner“.
Un wann’s De nit so fein wedd schwätzen,
Geherste zu den Burenklätzen.

Herzogs Beobachtungen

„Herzog geht hier auf zeitgenössische Veränderungen im Wortschatz ein, die er auf die Annexion Kurhessens durch Preußen (1866) zurückführt: Man war jetzt „prei’sch [preußisch] kunfermirt“ – und machte mit. Herzog läßt keinen Zweifel daran, was er davon hält. Es geht ihm um Wörter von regionalem Geltungsbereich, die im Zuge des „neumodischen feinen Schwätzens“ gemieden und durch andere ersetzt werden.“[1]

Es geht in der Hauptsache, da Kurhessen inzwischen Teil einer deutschen Großmacht geworden war, um die vielfache Aufgabe des regionalen Wortschatzes zugunsten allgemeiner schriftsprachlicher, „hochdeutscher“ Bezeichnungen, etwa Vermeidung von „Leimen“, „lehnen“, „Weißbinder“, „Drusel“. Karten im „dtv-Atlas zur deutschen Sprache“ zur regionalen Verteilung von drei Berufsbezeichnungen, die Herzog nennt, zeigen, daß es bei den Neuerungen teilweise Teil tatsächlich um spezifisch preußisch bestimmten Sprachgebrauch geht. Die Kerngebiete Preußens – mit der Hauptstadt Berlin – liegen im Bereich von Klempner, Tischler/Discher und Böttcher.[2]

Quelle

Herzog, Hartmann: In Freid un Leid un Ewwermut. Altes und Neues in Kasseler Mundart [Sammlung]. [Hrsg. u. mit Vorwort von] A[rnold] Latwesen. Melsungen, Heimatschollen [1934]. S. 22 – 31. – Selbständige Veröffentlichung des Gedichtes „Der nu prei’sch kunfermirte Schorsche Botterwecke …“ bereits um 1875.

Literatur

  • Guth, Werner: Hartmann Herzog – Beobachter sprachlicher Veränderungen. In: Der Mundart-Kurier[3] 7, 2006, S. 13.
  • König, Werner: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. Mit Mundartkarten. 10., überarb. Aufl., München 1994. – Hier: Tafeln S. 192 (Klempner/Spengler), 193 (Böttcher), 194 (Tischler/Schreiner).

Querverweise

Einzelnachweise und Amerkungen

  1. Guth 2006.
  2. Auffällig ist, daß der heimische Faßbinder nicht auf der entsprechenden Karte ausgewiesen ist.
  3. Der Mundart-Kurier ist die Vereinszeitung der Gesellschaft für Nordhessische Mundarten e. V.
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