Zissel – Vorgeschichte

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August Grassow schreibt in seinem Kasseler Wörterbuch [1894] unter dem Stichwort „Zissel“: „wilde, rohe Musik, ausgeführt von einer Anzahl Dilletanten, z. T. mit improvisierten Instrumenten, nebst Illumination in Biergärten, besonders auf dem ‚Bunten Bock‘ und auf der Fulda großes Sandschiff und an dreißig kleine Kähne. (Im Anfang der 1850er Jahre, als wir unter der ‚Mißregierung‘ so ‚unglücklich‘ waren.)“

Grassows Wörterbuch wurde von Paul Heidelbach, mit Ergänzungen und Erläuterungen versehen, 1952 herausgegeben. Zu Grassows Stichwort „Zissel“ macht Heidelbach eine umfangreiche Anmerkung (S. 91 f.), hier auszugsweise wiedergegeben:

„Name, Herkunft und Alter des Zissels sind immer noch nicht restlos aufgeklärt. Das Wort scheint nur für Kassel belegt zu sein. Wenn Grassow das Zeitwort ‚zisselen‘ mit ‚zersteuen, verzetteln‘ erklärt, so läßt sich diese Bezeichnung auch auf die auf dem Wasser zerstreuten Schiffe beziehen. Die in den letzten Jahren oft in der Presse aufgestellte Behauptung, daß die Gilde der Kasseler Schiffer und Fischer schon vor 600 Jahren im Sommer ihren Zissel gefeiert hätte, entbehrt jeder Grundlage. [...] Ebenso abwegig ist die Behauptung, der Zissel sei die von den Fischern und Schiffern gefeierte Kirmes der 1526 abgebrochenen Cyriakuskirche auf dem Marställer Platz gewesen, wobei man Zissel sprachlich mit Cyriakus in Verbindung bringen wollte. Völlig undiskutabel ist auch der Versuch, das Wort Zissel zu der slawischen Mondgöttin Ziselbog in Beziehung zu bringen. Man hat dann auf Wasservergnügungen des Hofes und deren spätere Nachahmung durch die Bürgerschaft hingewiesen, aber auch das ohne zwingende Begründung. Aus den Aufzeichungen des am Altmarkt wohnenden Kaufmanns Sattler wissen wir, daß man schon zu Ende des 18. Jahrhunderts auf einem flußaufwärts gezogenen Sandkahn mit Familie und Gästen Vergnügungsfahrten nach Freienhagen und anderen an der Fulda gelegenen Orten unternahm [...]. Wir kennen auch eine Federzeichnung des Kasseler Malers Ludwig Emil Grimm, die eine solche vergnügliche Wasserfahrt mit Musik aus dem Jahr 1845 darstellt. In Kasseler Tageszeitungen der 1860er Jahre wird wiederholt Ende Juli oder Anfang August zu abendlichen Wasserfahrten auf der Fulda eingeladen [...]. Aus den Akten der 1830 gegründeten Kasseler ‚Liedertafel‘ geht hervor, daß diese u. a. auch Ausflüge nach Freienhagen unternahm, von wo man zu Schiff unter Fackelschein zurückkehrte. Es sei noch erwähnt, daß auch Lüttebrandt (‚Gasgenaden un Schmaguggen‘, 2. Aufl. [1918,] S. 144) gleich Grassow den Zissel nicht nur auf Wasserfahrten beschränkt, wenn er ihn definiert als ‚Veranstaltung irgend welcher Lustbarkeit. Früher Volksbelustigung mit Kahnfahrt auf der Fulda in beleuchteten Schiffen.‘ Mit der Zeit kamen diese bescheidenen Wasserfahrten mehr und mehr in Vergessenheit, bis um 1911 die am Fuldadamm gelegenen Badenanstalten und Schwimmvereine ihre mit abendlicher Illumination und Beleuchtung der Kähne verbundenen Vereinsfeste begingen, an denen in wachsendem Maße auch die Bevölkerung teilnahm. Am 8. August 1926 wurde der offiziell so genannte ‚Kasseler Zissel‘ nach langer Unterbrechung unter Mitwirkung des Verkehrsamtes in veränderter Form zu neuem Leben erweckt. [...]"[1]

Literatur

  • Guth, Werner: Der Kasseler Zissel. Vorgeschichte des alljährlichen Sommerfestes an und auf der Fulda – Paul Heidelbach auf Spurensuche. In: Der Mundart-Kurier 16, 2009, S. 1.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Im ganzen übernommen aus dem Mundart-Kurier, Guth 2009.
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