Spott mit Vornamen

Aus KasselWiki
(Unterschied zwischen Versionen)
Wechseln zu: Navigation, Suche
 
Zeile 307: Zeile 307:
 
* [[Kopf und Arsch und anderes]]
 
* [[Kopf und Arsch und anderes]]
  
<metadesc>Niederhessische Spottnamen, aus Vornamen gebildet.</metadesc>
+
<metadesc>Nordhessische Spottnamen, aus Vornamen gebildet.</metadesc>

Aktuelle Version vom 9. Januar 2014, 18:25 Uhr


Von Werner Guth


August Grassow
Axel Herwig

Jeder kennt sicherlich spöttische Bezeichnungen wie „Dummhans“ und „Heulsuse“, also Zusammensetzungen mit einem Vornamen als Hinterglied. Die meisten Bildungen dieser Art dürften Regionalismen sein. In den Rechtschreib-Duden hat es, soweit ich sehe, nur die „Heulsuse“ geschafft.

Richtet man den Blick auf Nordhessen, so stellt man fest, daß es hier eine große Anzahl solcher Bildungen gibt (mehrfach dienen zum Spott auch Vornamen ohne charakterisierenden Zusatz). Für den Dialektfreund ist diese Wortgruppe eine Fundgrube, und das sowohl im Hinblick auf die Namen und Namenformen selbst als auch im Hinblick auf die Wörter, die das Vorderglied bilden.

In der unten folgenden Liste sind Spottbezeichnungen aus Kassel zusammengestellt, vermehrt um solche aus Ober- ellenbach. Der in der Region Verwurzelte sieht natürlich sofort, daß es sich zum großen Teil um Bezeichnungen handelt, die in Nordhessen weit verbreitet sind. Zugleich dürften ihm weitere mit Vornamen gebildete Spottwörter aus seinem Heimatort oder seiner Heimatgegend einfallen, die in der Aufstellung fehlen, diese aber gut ergänzen würden [...]


Die folgende Zusammenstellung basiert auf der Auswertung von drei Wörterbüchern:

Gr: Grassow, August: Wörterbuch der Kasseler Mundart, hrsg. u. erw. v. Paul Heidelbach, Kassel 1952. – Grassow (1825 – 1900) hat jahrzehntelang gesammelt, Manuskriptabschluß 1894. Es geht hier also um sehr altes Sprachgut.

He: Herwig, Axel: Kasselänisches Schimpfwörterbuch, Kassel 1979.

Ho: Hofmann, Fritz: Niederhessisches Wörterbuch, zusammengestellt auf Grund der Mundart von Oberellenbach, Kr. Rotenburg (Fulda), Marburg 1926. – Lautschrift ist im folgenden umgesetzt.


  • Anne Marthe
Anne Marde (Gr): „geschäftige Dankverdienerin“, wohl gemeint: übertrieben beflissene Frau.


  • August
Glamoddenaugust (He): Lumpenhändler, Trödler.


  • Bast, Kurzform von Sebastian
Nasenbast (Ho): naseweiser Junge.
Nasenbaster (Gr): Naseweis. (Weiterbildung zu Nasenbast.)


  • Dewes, Kurzform von Matthäus
Dehwes, Debes: Schlafmütze (Gr), kleiner Kerl (Ho).
Schluddendewes (Gr): unreifer, unbedachter Bursche, jemand, den die Mutter noch mit der Schludde (Flasche) betreuen sollte.


  • Drillißchen, Koseform von *Drin-Lies(e), einer Kurzform von Katharina Elisabeth
Drillißchen (He): einfältiges Mädchen vom Lande.


  • Drinnchen, Koseform von Katharina
Drinnchen (He): wie Drillißchen.


  • Else
Bibberelse (Gr): eine, die über alles klagt.


  • Fritz
Gleggerfriddse (He): einer, der sich bekleckert.
Hillfritze (Gr): weinerlicher Bursche; von hillen ‚heulen‘.
Worschtefritz (Gr): einer, der keinen Wert auf sein Äußeres legt.
Grogelfritze (He): einer der gern krokelt, d. h. in altem Zeug herumstochert.
Orjelfriddse (He): „äußerst ‚fleißiger‘ Schürzenjäger (orjeln = den GV üben)“.


  • Gehannes = Johannes
Gehannes (Gr): Schlafmütze.
Bambelgehannes: Person von nachlässiger Haltung, Kleidung (Gr); einer, der dauernd seine Meinung wechselt und als unzuverlässig gilt (He).
Bimbelgehannes (Gr, He): wie Bambelgehannes (mit der bei Gr bzw. He jeweils angegebenen Bedeutung).
Brekelgehannes (Gr): einer, der brekelt, d. h. anhaltend halblaut schimpft.
Bribbelgehannes (Gr): Variante zu Brubbelgehannes.
Brubbelgehannes (Gr): einer, der brubbelt, halblaut vor sich hin schimpft.
Bullergehannes (Gr): polternder, ungestümer Mensch.
Dähmelgehannes (Gr): dämlicher Mensch.
Dibbelgehannes (Gr): Kleinigkeitskrämer; vgl. Dibbelchen ‚Tüpfelchen, Kleinigkeit‘.
Knuddergehannes, Gnuddergehannes (Gr, He): einer, der knuddert, d. h. verhalten schimpft.
Liechengehannes (Gr): Lügner.
Wawwelgehannes: weichlicher, weibischer Mann (Gr); sehr fette, schwabbelige Person (He).


  • Gele, Koseform von Gertrud (sehr alt)
Gehle (Gr): „dumme Gehle: Mädchen von dummer, bäurischer Manier“.
Burschgehle (Gr): rüde, grobe Bäurin.
Schleifgehle (Gr): wie Gehle, „ist aber noch dazu faul, nachlässig“.


  • Hannaden = Johann Adam
Hannaden: „alberner, nicht anstelliger, oft bäurisch unwissender Kerl“ (Gr), Dummbart (He).


  • Hannjost = Johann Jost
Hannjoost (Ho): einfältiger Mensch.


  • Hammerden = Johann Martin
Hammerden (Ho): einfältiger Mensch.


  • Hannes, Hennes, Hans, Kurzformen von Johannes
Hannes (Gr): großer, dicker, plumper Kerl.
Brohlhans (Gr, He) und -hennes (He): Aufschneider.
Dreedelhennes (He): einer der trödelt. (Neubildung; trödeln > dreedeln ist hochdeutscher Import; das alte Dialektwort ist drendeln ‚langsam sein, trödeln‘, s. Drendelbehder. – W.G.).
Giggelhennes (He): einer, der seine Rede ständig mit Gickeln, d. h. mit albernem Gekicher, unterbricht.
Gnudderhennes (He): einer, der knuddert, d. h. verhalten schimpft.
Griddelhennes (He): einer der alles bekrittelt, d. h. kritisiert, tadelt.
Grogelhennes (He): wie Grogelfritze.
Gwaggelhennes (He): einer, der quackelt, d. h. unzusammenhängendes Zeug daherredet.
Kanggelhennes (He): einer, der kankelt, d. h. unruhig herumrutscht.
Ladderhannes, -hennes (Gr, He): Herumtreiber, Tagedieb.
Lawwerhannes (Gr): einer der lawwert, d. h. gehaltlos redet.
Spälhans, Schbählhans: verspieltes Kind (Gr); ebenso Erwachsener (He).


  • Henne (sehr alt, keine Kurzform von Johannes); kommt vor in den Ausrufen: „Ach, du liewer Henne!“ und „Liewer Gott, Henne!“
Mädehenne (Gr): Junge, der lieber mit Mädchen als mit Jungen spielt.


  • Hermann
Hermen (Gr): schwerfälliger, beschränkter Mensch.


  • Jörge = George (bekam im 19. Jh. Konkurrenz durch Schorsche)
Bambeljerge, -jerje (Gr, He): wie Bambelgehannes (mit der bei Gr bzw. He jeweils angegebenen Bedeutung).
Bimbeljerge, -jerje (Gr, He): wie Bambelgehannes (mit der bei Gr bzw. He jeweils angegebenen Bedeutung).
Bribbeljerge (Gr): wie Bribbelgehannes.
Brubbeljerge (Gr): wie Bribbeljerge.
Knudderjerge, Gnudderjerje (Gr, He): einer, der knuddert, d. h. verhalten schimpft.


  • Jost
Bambeljoost (Gr, He): wie Bambelgehannes (mit der bei Gr bzw. He jeweils angegebenen Bedeutung).
Hilljost (Gr): weinerlicher Bursche; von hillen ‚heulen‘.


  • Jule, Kurzform von Julius und Juliane
Suffjule (He): Säufer, Säuferin, Saufkumpan.


  • Klowes, Kurzform von Nikolaus
Klowes, Glowes (Gr, Ho, He): dummer, unbeholfener, nicht ernstzunehmender Mensch.


  • Konrad
Kunnerod (Gr): einer, der sich ein bißchen unbeholfen benimmt.


  • Liese, Lißchen
Buhrenlißchen (He): „weibliches Wesen vom Lande“.
Giggelliese (He): weibliches Gegenstück zum Giggelhennes, -schorsche.
Haderlißchen (He): zänkische Frau.
Schnuddelliese (He): Schwätzerin.


  • Lippes, Kurzform von Philipp, genauer: von Philippus
Libbes (He): läppischer, schlapper Mensch.
Kohlenlibbes (He): Sackträger bei der Kohlenanlieferung.


  • Martin
Miegmerden (Ho): zum Weinen neigender Junge; von miegen ‚weinen‘ (in verächtlichem Sinne).


  • Matz, Kurzform von Matthias
Schlofmatz (Gr): einer, der viel, oft und lange schläft.
Schwinnemadds (He): einer, der sich oder andere bekleckert oder beschmutzt.


  • Michel
Dabbmichel (Gr): schwerfälliger, unbeholfener Mensch, Dabbich.
Dindemichel (Gr): eigentlich Schreiber; übertragen: einer, der sich duckt, anpaßt; von Dinde ‚Tinte‘.
Flehnzemechel (Gr): Schmeichler, Einschmeichler.
Knedemichel, Gnädemichel: einer, der knädet, d. h. langweilig redet (Gr), Nörgler (He).
Lahdschmechel: „(gewöhnlich langer) phlegmatischer Bursch“ (Gr).
Sießmechel (Gr): einer, der zu glatt, geschmeidig, süß in seinen Manieren ist.
Spannmechel (Gr): Stutzer, Geck; von sich spannen ‚sich etwas einbilden‘.


  • Peter
Behder (Gr): schüchterner, blöder Mensch.
Drehbehder: unentschlossener, zögernder Mensch (Gr); langsamer und träger Mensch (Ho).
Drejenbeder (Ho): trockener Mensch; von dreje ‚trocken‘.
Drendelbehder (Gr): ähnlich wie Drehbehder; von drendeln ‚langsam sein, trödeln, im Entschluß wanken‘.
Duddelbehder (Gr): einer, der fast so unbeholfen ist wie ein kleines Kind; von duddeln ‚sich mit Kleinkram abgeben, ohne Sinn herummachen‘.
Gaggebehder (Gr): unfähiger, willensschwacher Mensch; von gacken, gaggen ‚kacken‘.
Gnärebeder (Ho): einer, der gnäret (knetet), breit und langweilig erzählender Mensch.
Gnärwelbeder (Ho): Nörgler; von gnärweln ‚anhaltend nörgeln‘.
Nählebehder: einer, der nählt, d. h. langsam, umständlich und langweilig über etwas redet (Gr); Nörgler (He).


  • Schorsche = George, französisch ausgesprochen (s. o. Jörge)
Dreedelschorsche (He): wie Dreedelhennes.
Giggelschorsche (He): wie Giggelhennes.
Gnerwelschorsche (He): Nörgler; von knerweln ‚anhaltend nörgeln‘.
Grogelschorsche (He): wie Grogelfritze.
Gwaggelschorsche (He): wie Gwaggelhennes.
Gwanggelschorsche (He): einer der ständig mit einem quankeln möchte, d. h. etwas tauschen möchte, „und einem damit auf die Nerven fällt“.
Schaugelschorsche (He): unzuverlässige Person.
Schnuddelschorsche (He): Schwätzer.
Scheiwelschorsche (He): unzuverlässige Person.
Seiwelschorsche (He): einer, der einen zu etwas beseiweln, d. h. überreden will.


  • Stoffel, Kurzform von Christoffel (= Christophorus)
Schdoffel (He): Stoffel, Tölpel.
Babbstoffel (Gr): Tölpel; vgl. Babbs ‚dick und steif Gekochtes‘, Babbsack ‚dicke, schwerfällige Person‘.


Quelle

  • Guth, Werner: Spott mit Vornamen, in: Der Mundart-Kurier, Mitteilungen der Gesellschaft für nordhessische Mundarten e. V., Nr. 15, 2009, S. 12 f.


Querverweise

Meine Werkzeuge
Namensräume
Varianten
Aktionen
Inhalt
Werkzeuge