Rathaus am Altmarkt

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Das Kasseler Rathaus am Altmarkt (1408 – 1837) und die Fleischschirne, das mittelalterliche Altstadt-Rathaus.

Der Marktplatz mit dem Rathaus und der Fleischschirne 1785. Gemälde von Ernst Metz 1957. -- E. Metz: Hochfürstlich Hessische Residenzstadt Cassel (1961), S. 23, Taf. 8; hier: Archiv Harald Metz, Bickenbach.
Das Rathaus am Altmarkt, 1815. Aquarell von Ludwig Emil Grimm. -- P. Heidelbach: Kassel (1957), S. 2.
Das Rathaus am Altmarkt zur Biedermeierzeit. Lavierte Federzeichnung von Ernst Metz 1926. -- Archiv Harald Metz, Bickenbach.
Modell des Rathauses, Stadtmuseum Kassel.[1]
Kasseler Stadtwappen 1408. Reliefstein links oben neben dem Eingangsportal des ehemaligen Altstadt-Rathauses (befindet sich jetzt im Treppenaufgang des gegenwärtigen Rathauses). -- J. A. Huber, Stadtgeschichte Kassel (2012), S. 42.

Inhaltsverzeichnis

Kassel im 14. Jahrhundert

Kassel bestand im 14. Jahrhundert aus den drei selbständigen (Teil-)Städten Altstadt, Neustadt (der späteren Unterneustadt) und Freiheit, jede mit eigenem Rat. Die drei Städte „vereinigten sich am Anfang des Jahres 1378 […] zu einer Stadt mit einem gemeinsamen Rat. Statt der bisherigen 60 Ratsmitglieder aus den drei Städten betrug ihre Zahl für die Gesamtstadt nur noch 26. Die Vereinigung geschah durch die Vermittlung des Landgrafen Balthasar von Thüringen als selbständiger Willensakt ohne das Wissen des hessischen Landesherrn. Durch die Zusammenfassung der Kräfte hoffte der Rat, sein Gewicht im Kampf gegen Landgraf Hermann (1377 – 1413) zu stärken. Alle drei Kasseler Städte besaßen eigene Rathäuser, die bis 1471 noch als solche genannt werden. Sie fanden später andere Nutzung (Fleischschirne, Kaufhäuser, Schulhäuser u.a.), blieben aber bis zu ihrem Abbruch im 19. Jahrhundert in städtischem Eigentum.“[2]

Das Rathaus der Gesamtstadt

Allgemeines

„Der Bau eines neuen gemeinsamen Rathauses an der Nordseite des Altstädter Marktes begann 1404 mit der Errichtung der Stadtwaage auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks" (links hinter dem Treppentturm, siehe Modell). „1408 wurde der Grundstein für das Hauptgebäude gelegt, dessen Innenausstattung sich ausweislich der Stadtrechnung bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts hinzog. Schon im 16. Jahrhundert reichte das Rathaus der aufblühenden Stadt nicht mehr aus, so daß Nachbarhäuser hinzugekauft wurden.“[3]

Das Gebäude

„Das schmucke Bauwerk mit hohem Satteldach, dessen zum Markt hin gelegene Giebelfront zwei auf Konsolen ruhende polygonale Ecktürmchen und einen, aus dem steilen, schiefergedeckten Walmdach heraustretenden Mittelerker mit einer Lukarne für die Schlagglocke besaß, gliederte sich in das hohe, massive Keller- und Erdgeschoß und zwei darüberliegende vorkragende Fachwerkgeschosse. In der Mitte dieser Giebelseite befand sich ein gotisches Spitzbogen-Portal mit tiefer Leibung und profilierten Wänden. Zu ihm führte eine hohe Freitreppe, von deren Podest aus die Erlasse der Obrigkeit öffentlich verkündet wurden. Daneben lag, etwas in die Erde versenkt, der Zugang zum tiefgelegenen Ratskeller […]. – Als Zeichen seiner öffentlichen Bestimmung war links vom Hauptportal eine steinerne“ Tafel mit dem Kasseler Stadtwappen „in die Mauer eingelassen. […] Die Spitze des hohen geschweiften Walmdaches wurde von einem Turm- oder Wetterhahn bekrönt, der zu den Wahrzeichen der Stadt gehörte.[4] An der Front zur sehr engen Fischgasse hin befand sich noch bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein an einer Kette hängendes eisernes Halseisen, das zur öffentlichen Bestrafung für leichtere Vergehen diente. […]“[5] Die beiden oberen Stockwerke waren zugänglich „durch einen nach dem Judenbrunnen hin gelegenen runden Treppenturm […]. Über dem Eingang zu diesem Turm war eine Steintafel angebracht, die […] den Spruch trug: ,Eines Mannes red – ein halbe red – Man soll die part verhören bed.‘“[6]

Ratskeller

„Im steinernen Untergeschoß, zum großen Teil in der Erde, lag der geräumige Ratskeller, der im Gegensatz zu dem im Tuchhause am Ledermarkt befindlichen ,Oberen‘ der ‚Untere Keller‘ genannt wurde, in dem die Stadt einen sehr einträglichen Weinausschank betrieb […]. Auch hohe Herren besuchten damals diesen Keller häufig und der Landesfürst selbst verschmähte es nicht, die Einladungen der Stadtverwaltung zu einem fröhlichen Umtrunk […] huldvollst anzunehmen. Auch der Landgraf machte wohl gelegentlich den Wirt und veranstaltete ein „Traktement“, wobei die Ratsherren seine Gäste waren“, so etwa Ludwig I. am 9. Juni 1443. – Mit der Zeit büßte der alte Weinkeller sein Ansehen mehr und mehr ein und galt in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens nur noch als ,Bier- und Schnapskneipe geringster Art‘.“[7]

Erdgeschoß

„Der große Saal des steinernen Erdgeschosses mit schlanken Doppelfenstern diente in erster Linie als Kaufhalle. Er war von sieben steinernen Säulen durchsetzt, die das hohe gotische Gewölbe trugen.“[8]

Erstes Stockwerk

„Ursprünglich bildete das [erste] Obergeschoß nur einen einzigen Raum, der zu Versammlungen und Beratungen der Bürgerschaft diente, der aber um 1572 in vier verschiedenartige Räumlichkeiten umgebaut wurde. So fand sich hier nun ,die kleine und die große Ratsstube‘, welch letztere den Namen ,Ratssaal‘ führte und die ganze fensterreiche Vorderfront des Geschosses einnahm [9] […]. Außer den Ratsstuben befanden sich im ersten Stockwerk noch die Kämmerei und das sogenannte ,Sommerhaus‘, ein luftiger, hallenartiger Raum, der im Sommer als Wohngemach, besonders zu den Schmausereien und Trinkgelagen der Ratsherren diente.“[10]

Zweites Stockwerk

Hier „lag eine Reihe von Räumen, deren Bestimmung von Zeit zu Zeit wechselte. So befand sich hier bis zur Zeit der französischen Okkupation (1806 – 1813) das städtische Archiv, in dem auch der reiche Silberschatz der Stadt aufbewahrt wurde, ferner die Stadtrepositur, die Steuerstube und das bürgerliche Gefängnis, der ,Bürgergehorsam‘ […]. Daneben lag noch die städtische Rüstkammer. […]“[11]

Abriß des Rathauses

„[…] schon 1833 trugen sich die städtischen Behörden mit dem Plan, das Gebäude wegen seines schlechten baulichen Zustandes abzubrechen. – Im Frühjahr 1837 wurde das ehrwürdige Haus […] niedergerissen; die Glocke über der Uhr […] kam in den Dachreiter des neuen Stadtbauflügels an der Fuldabrücke.“[12]

Die Fleischschirne

Das ehemalige Rathaus der Altstadt (links im Gemälde von Ernst Metz, Abb. 1), ein stattliches Fachwerkgebäude, lag an der Ecke des Altmarktes und der Marktgasse, schräg gegenüber des Rathauses der Gesamtstadt. Mit der Errichtung dieses „auch nach außen hin repräsentableren Neubaues [...] verlor das alte Rathaus mehr und mehr seine Bedeutung. Es diente in der Folgezeit, bis zu seinem 1837 erfolgten Abbruch, der Bürgerschaft in erster Linie als Fleisch- und Brotschirne[13], wurde aber auch sonst für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen. So enthielt es bis ins 18. Jahrhundert den sogenannten ‚bürgerlichen Gehorsam‘, ein Gewahrsam für leichtere Vergehen [...].“ Im Haus befand sich auch die ‚Bürgerwache‘, später ‚Marktwache‘ genannt. „Im Jahre 1778 wurde an diese Stelle eine Wache des erst kürzlich aufgestellten ,Carabinier-Corps‘ verlegt, die bis 1789 im Hause verblieb. Daß die Metzger, außer an den ,gewöhnlichen‘ Fleischtagen, Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, noch an allen übrigen Tagen der Woche ihre Waren in der ,großen Fleischschirne‘ im alten Rathaus feilhielten, berichtet der Kasseler Chronist Friedrich Christoph Schmincke 1767.“[14]

Quellen

  • Hessen und Thüringen. Von den Anfängen bis zur Reformation. Eine Ausstellung des Landes Hessen [1992]. Ausstellungskatalog. Hrsg. v. der Historischen Kommission für Hessen, Marburg, u. dem Museum Wiesbaden. 1992.
  • Metz, Ernst Christopher: Residenzstadt Cassel. Einführung von Gerhard Seib und Angelika Nold. Kassel 1980. – „Den Bild-Texten liegen die dokumentarischen Ausführungen des Künstlers Ernst Metz zu Grunde.“ (Impressum)

Querverweise

Anmerkungen

  1. Rekonstruktion von Wilhelm Haarberg 1963. – Hessen und Thüringen 1992, S. 217.
  2. Hessen und Thüringen 1992, S. 217.
  3. Hessen und Thüringen 1992, S. 217.
  4. „Von ihm schrieb ein weit herumgekommener Bäckergeselle […] 1763: , In Hessen Cassel auf dem Rathause, da stehet ein Hahn, da stehet dran geschrieben: wenn dieser Hahn wird krähn, so wird den Bürgern ihr Recht geschehen.‘“ (Metz, S. 86)
  5. Metz, S. 85 f.
  6. Metz, S. 87.
  7. Metz, S. 86.
  8. Metz, S. 86.
  9. „Erleuchtet wurde der Ratssaal von zwei sechsarmigen metallenen kunstvollen Kronleuchtern, deren Arme 1764 von der Frau eines Stadtdieners, die wohl die Räume zu reinigen hatte, entwendet und zu Geld gemacht wurden.“ (Metz, S. 86)
  10. Metz, S. 87.
  11. Metz, S. 87.
  12. Metz, S. 87 f.
  13. Schirn, Schirne (erloschenes Wort) „öffentliche Verkaufsstelle“, vorzugsweise für den Verkauf von Brot und Fleisch; Fleischschirne also etwa: „Fleischbank“.
  14. Metz, S. 85.

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