Kasseler Mundart – Spuren 1860

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„Das Rosenfest auf der Schallhütte – Eine humoristische Schilderung“ (1860) enthält Passagen in Kasseler Mundart.

Inhaltsverzeichnis

Frühes Mundartzeugnis

Gewerbliches Tageblatt v. 17. 7. 1860, Faksimile der Frontseite.
Aus: Das Rosenfest auf der Schallhütte, hrsg. v. Horst Hamecher.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte in Kassel eine beachtliche Dialektdichtung ein. Mundartzeugnisse vor den 70er Jahren sind äußerst selten. Zu diesen frühen Zeugnissen gehört die Erzählung „Das Rosenfest auf der Schallhütte“, Verfasser unbekannt. Sie ist zwar hochdeutsch abgefaßt, enthält in den Dialogen jedoch Mundartliches, unter anderem auch Kasseler Mundart.

Die Erzählung wurde von dem Kasseler Antiquar und Verleger Horst Hamecher (1919 – 2007) im Gewerblichen Tageblatt und Anzeiger für Kassel und die Umgegend (mehrere Nummern, Juli 1860) aufgespürt und, mit einem Nachwort versehen, in einer kleinen Privatschrift herausgegeben. Sie wird im folgenden, auszugsweise und mit Kurzkommentaren versehen, geboten.[1]

„Das Rosenfest auf der Schallhütte“

Das „Gewerbliche Tageblatt“ v. 17. Juli 1860 brachte folgende (hier gekürzte) Nachricht:

Kassel. Das wunderschöne, warme, heitere Wetter, welches am am 15. Juli (einem Sonntag) nach einer langen Reihe theils trüber, theils kalter, theils regneriger Tage eintrat, lockte eine Menge Bewohner Kassels in die freie Natur [. . .]. Die Mitglieder des Vereins „Thalia“[2] unternahmen einen Ausflug nach der „Knallhütte“. Musik voran, zog die Gesellschaft in das gegenüber gelegene, schattige Eichenwäldchen. [. . .]

Die Zeitung begann in derselben Ausgabe mit dem Abdruck der Erzählung „Das Rosenfest auf der Schallhütte“, leider ohne Verfasserangabe. Vier Fortsetzungen folgten. Mit der „Schallhütte“ war, wie sich den Lesern schnell erschließen mußte, die „Knallhütte“ bei Zwehren gemeint. Es handelt sich offensichtlich um eine humoristische Betrachtung des zuvor als Nachricht erwähnten „Thalia“-Ausflugs. Auszüge:

[. . .]

Nachdem die Runde durch das Wäldchen beendigt und die Musik zu einem Marsch übergegangen war, lösten sich die Reihen auf und rasch suchte man zu seinen Plätzen zu gelangen, um Anstalten zum Tafeln zu treffen.

[. . .]

„Peter, wieviel Wein haste mitgenomme?“

„Ei, acht Flasche.“

„Is des aach was? Wir hawwe ’n ganzen Anker. Wenn de trocke bist, kannste mit uns trinke!“

„Johann, den Chaisenkasten hierher! Nun hol einen Stunz mit Brunnenwasser und stelle die Flaschen hinein!“

„Thuts dann net au ’ne Gießkanne? Ich habe schon gefragt, ’nen Stunz oder ’n Eimer wollen se net hergewen; die Gießkanne hab’ ich aus dem Kegelhäuschen geholt.“

„Lischen, geb m[ä] mol d’ Sallwelatsworscht; ich wollte glich alle in Sticker schnieden, dann hott me hernoh keine Scheererei mehr. Es es doch ne wahre Nelkenpracht, gucke mol, die reinen Troppen stehn drinne. Na, dä Kenner, nu packet zu!“

[. . .]

„Fritz, wo haste den Schinke?“

„Hier im Sack, Mutter.“

„Gewwen mol her und breit’ d’s Tafeltuch aus, daß mer unsre Sache hübsch anrangiere.“

„Mutter, d’s Tafeltuch hat ’n Loch.“

„Dummer Bub’, da[s] brauchst de je net so laut zu rufe. Leg d’n Zippel um un stell’ ne Butell drauf.“

„Kellnerin! Bst! Mädchen! Sie da! Die zwei Portionen Thee habe ich bestellt. Aber Sie hat ja nur drei Tassen und sollte zwölfe bringen; auch einen Kessel mit heißem Wasser zum Nachgießen. Bring Sie schnell die andern Tassen und das heiße Wasser.“

„Do kannse lange waarten, bisse noch was kricht; im Huse machen se sich ja bale dod. Thee esses ja au gar net, Kaffee esses.“

[. . .]

„Reichen Sie mich jefälligst Ihr leeres Jlas, Herr Nachbar! Ich freue mir, daß wir herausjejangen sind; so ein Volksfest wird nich jeden Tag jefeiert; wenn man nur nicht so transferiren müßte, die Wärme ist heute jar zu jroß. Hätte ich nicht einen Laubfrosch, auf den ich mir verlassen könnte, so hielt ich es nicht für unmöglich, daß uns der Pelz noch jewaschen würde.“

In kurzer Zeit bemerkte man an den aufgethürmten Vorräthen eine bedeutende Verminderung, dagegen vermehrten sich zusehends die Reihen der leeren Flaschen. [. . .]

Jetzt kamen auch eine Menge Bewohner der nächsten Dörfer, Erwachsene und Kinder, die letztern meist barfuß und barhäuptig, von allen Seiten heran, und schauten [. . .] den Schmausenden mit gierigen Blicken zu.

[. . .]

Plötzlich schien das Wäldchen in Flammen zu stehen – ein betäubender Donnerschlag machte die Grundvesten der Erde erbeben und in demselben Augenblicke war es, als ob alle Schleusen des Himmels sich mit einemmale öffneten. [. . .] Jeder wollte so schnell als möglich mit seinen Habseligkeiten die gegenüber liegenden Gebäude der Schallhütte erreichen.

Diesen allgemeinen Aufbruch machte sich ein Theil des Landvolkes zu Nutzen, fiel über Tische und Lagerplätze her und bemächtigte sich ohne Weiteres aller in der Eile zurückgelassenen Gegenstände, als ob eine Einladung ergangen sei: ungenirt zuzulangen. Aber nicht allein alle Eßwaaren und Flaschen, welche für den Augenblick herrenlos waren, sondern auch andere Dinge, Gläser, Messer etc. verschwanden in wenigen Minuten unter den Händen der rohen Eindringlinge.

Quellen

  • Das Rosenfest auf der Schallhütte - Eine humoristische Schilderung. Als Faksimile hrsg. u. mit einem Nachwort versehen v. Horst Hamecher. (Privatschr. o. D.)
  • Polyglott-Mundartliches aus Kassel 1860. „Das Rosenfest auf der Schallhütte – Eine humoristische Schilderung“. Kommentiert v. Werner Guth. In: Mundart-Kurier 18, 2010, S. 10.

Querverweise

Anmerkungen

  1. In dieser Form übernommen aus dem Mundart-Kurier 2010.
  2. „Über den Verein ,Thalia' ließ sich nichts ermitteln. In der Kassel-Literatur findet er keine Erwähnung. Dem Namen nach zu urteilen handelte es sich im weiteren Sinne wohl um einen Geselligkeitsverein, der jedermann offenstand [...]." (Hamecher, Nachwort)
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