Gießhaus

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Das alte Gießhaus in Kassel, auf dem Ahnaberg, gegenüber der Klosterkaserne.

Klosterkaserne, Gießhaus und von Uffeln'sches Freihaus, 1802. Gemälde von Ernst Metz. -- E. Metz, Hochfürstlich Hessische Residenzstadt Cassel (1961), Taf. 9, S. 25 (schwarz-weiß); hier: Archiv Harald Metz, Bickenbach.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Kanonenrohre wurden im 18. Jahrhundert in den Hütten von Lippoldsberg, Vaake, Veckerhagen und Knickhagen gegossen. „Auch das alte Zeughaus, das sich in der Schäfergasse befand, und später das ,Ottoneum‘ am Steinweg waren als Gießhäuser eingerichtet, entsprachen aber“ um 1700 „wohl den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr.“ So ließ Landgraf Karl 1704 bis 1707 bei der Klosterkaserne, „am Kopfende des Platzes ,vor dem Kloster‘ an der Weserstraße ein Gebäude errichten, das von vornherein vorzugsweise für die Herstellung von Geschützen – aber auch zum Guß von Glocken – dienen sollte.“[1]

Das Gebäude

„Als Architekt gilt Charles Du Ry. Die Steine für den Bau stammten zum Teil […] von der an dieser Stelle abgebrochenen Roßmühle, die neben dem Ahnaberger Tor stand. Es scheint sogar, als seien Teile dieser Mühle in den Bau des Gießhauses einbezogen worden. Schon äußerlich sah man dem Gebäude an, daß es zu Besonderem bestimmt war. Die Hauptfront wurde durch ein flaches Bandgesims in zwei Stockwerke gegliedert. Das Erdgeschoß erhielt, seinen Zwecken entsprechend, hohe, flachbogig geschlossene Fenster, die, wie auch die kleinen rechteckigen des Obergeschosses, auf den Platz ,vor dem Kloster‘ blickten. Ein gewaltiger Torbogen öffnete sich fast bis zur Höhe des Hauptgesimses. Er war durch toskanische Pilaster und französische Quaderung gegliedert und trug über breitem Steingebälk einen reichen Trophäenschmuck aus Geschützrohren, Fahnen und anderen Emblemen, den die Büste des Landgrafen Carl […] krönte. Seitlich faßten ihn Stümpfe eines Segmentbogengiebels mit Figuren ein. […] – Hinter dem […] hohen Portal lag der bis unter das Dach reichende eigentliche Gießraum mit einem großen und einem kleineren Schmelzofen. Im großen Ofen konnten 200 Zentner Metall gleichzeitig geschmolzen werden. In der Mitte der hohen Halle – vor dem Ofen – sorgte ein mächtiger Rauchfang, der auf vier Pfeilern ruhte, für den Abzug der beim Gießen erzeugten Dämpfe und Gase. Hier darf man wohl auch die Formgruben für den Guß von Kanonenrohren, Glocken und anderen Gegenständen suchen. – Im Erdgeschoß des anstoßenden Arbeitsflügels befanden sich Hausflur und Treppe, ferner eine Schmiede, eine Werkstatt und zwei Zeugkammern. Ein Pferde-Göpel trieb von hier aus die im darüberliegenden Halbgeschoß aufgestellte Horizontalbohrmaschine an. Viel bestaunt wurde, daß zwei Arbeiter mit ihrer Hilfe ein Kanonenrohr innerhalb von 12 Stunden völlig ausbohren konnten! – Das Dachgeschoß enthielt die Wohnung des Stückgießers.“ [2]

Das Gießhaus und die Anfänge der Firma Henschel

„Zu den bekanntesten Insassen des Gießhauses gehörten die fürstlichen Stückgießer Georg und Jost Heinrich Köhler. Ein späterer Meister, Johann Anton Storck, wurde der Schwiegervater des aus Gießen 1777 zugewanderten Gießergesellen [Georg Christian Carl] Henschel, dem nach dem Tode seines Schwiegervaters 1793 die Leitung der fürstlichen Stückgießerei gegen freie Wohnung im Gießhaus und Benutzung des dabeigelegenen Gartens übertragen wurde. Haupteinnahmequelle blieb in dieser Zeit noch der Glockenguß, wohingegen der Geschützbau eine geringere Rolle spielte. – Ende des Jahres 1810 mußte Carl Henschel samt seiner Familie binnen 24 Stunden das Gießhaus auf Anordnung des französischen Stadtkommandanten Alix, mit dem sich Henschel überworfen hatte, verlassen. Er siedelte […] in das schon 1799 von ihm käuflich erworbene“ dem Gießhaus rechts benachbarte v. Uffelnsche Freihaus „über und richtete hier im Hintergebäude seine Werkstatt ein. Auf den angrenzenden Grundstücken eröffnete er eine eigene Gießerei und zugleich eine kleine Maschinenfabrik. So könnte man das Jahr 1810 als Gründungsjahr der späteren weltbekannten Firma ansehen […]. – Nach Wiederherstellung des Kurfürstentums 1813 gab Henschel die eigene Werkstätte nicht mehr auf, obwohl er zur Rücksiedelung ins Gießhaus und zum Wiederantritt seiner Stelle als ,kurfürstlicher Stückgießer‘ unter den früher kärglich Bedingungen gezwungen wurde. Im Herbst 1836 brannte das Gießhaus bis auf die Umfassungsmauern vollständig ab. Die Ursache des Brandes scheint nicht einwandfrei geklärt worden zu sein; ein Prozeß wegen Schadensersatzes zwischen dem Kurfürsten (Friedrich Wilhelm I.) und dem letzten privilegierten Stückgießer Henschel hatte zu keiner Einigung geführt. Die Ruinen wurden in den nächsten Jahren allmählich abgetragen. 1849 standen nur noch Mauerreste.“ [3]

Quelle

  • Metz, Ernst: Hochfürstlich Hessische Residenzstadt Cassel. Kassel 1961.

Querverweise

Anmerkungen

  1. Metz 1961, S. 73.
  2. Metz 1961, S. 73 f.
  3. Metz 1961, S. 74.

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