Der nu prei'sch cunfermirte Schorsche Botterwecke

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Verbreitung der Bezeichnungen für den Klempner/Spengler.
dtv-Atlas zur deutschen Sprache, 1994, S. 192.
Verbreitung der Bezeichnungen für den Tischler/Schreiner.
dtv-Atlas zur deutschen Sprache, 1994, S. 194.
Verbreitung der Bezeichnungen für den Böttcher.
dtv-Atlas zur deutschen Sprache, 1994, S. 193.

„Der nu prei’sch kunfermirte Schorsche Botterwecke …“ ist ein Gedicht in Kasseler Mundart von Hartmann Herzog (1833 – 1897), entstanden um 1875, vorgeblich ein Brief, in dem der Schreiber über mehrere Seiten hin Neuigkeiten aus Kassel mitteilt und kritisch betrachtet. Im folgenden werden nur die Strophen 2 bis 4 wiedergegeben, die thematisch enger zusammengehören.

Inhaltsverzeichnis

Text


Der nu prei’sch kunfermirte
Schorsche Botterwecke
an sinn liewen Kunnerod.
(Imme 1875)


’s eß Vähles remm un demm gedreht!
Au Not hott’s, daß me mich versteht,
Wann ich so spreche, wie min Schnawel
Gewachsen eß; dann wie in Bawel,
So eß ne Sprochverwirrung jetzt –
’s wärd vählerlei vähl Deitsch geschwätzt!


Vor „Leimen“ sprechen se jetzt „Lehm“,
Vor „Lehnen“ sprechen se jetzt „Leihen“,
Un bale alle Liede sa’n
Nu „Maler“ vor’n Wißbinnersmann“.
Ne „Drusel“ heißt en „Rinnstein“ jetzt –
’s werd alles neimod’sch ewwersetzt!


’s gibt au kein „Blechenschmidt“ nit mehr,
Die schriewen sich jetzt „Klempener“,
En „Dischler“ nennt me jetzt de „Schrinner“
Un „Böttcher“ heißen de „Faßbenner“.
Un wann’s De nit so fein wedd schwätzen,
Geherste zu den Burenklätzen.


Zu Herzogs Sprachbeobachtungen

„Herzog geht hier auf zeitgenössische Veränderungen im Wortschatz ein, die er auf die Annexion Kurhessens durch Preußen (1866) zurückführt: Man war jetzt ,prei’sch [preußisch] kunfermirt' – und machte mit. Herzog läßt keinen Zweifel daran, was er davon hält. Es geht ihm um Wörter von regionalem Geltungsbereich, die im Zuge des ,neumodischen feinen Schwätzens' gemieden und durch andere ersetzt werden.“[1]

Es geht in der Hauptsache, da Kurhessen inzwischen Teil einer deutschen Großmacht geworden war, um die vielfache Aufgabe des regionalen Wortschatzes zugunsten allgemeiner schriftsprachlicher, „hochdeutscher“ Bezeichnungen, etwa Vermeidung von „Leimen“, „lehnen“, „Weißbinder“, „Drusel“. Karten im dtv-Atlas zur deutschen Sprache zur regionalen Verteilung von drei Berufsbezeichnungen, die Herzog nennt, zeigen, daß es bei den Neuerungen teilweise tatsächlich um spezifisch preußisch bestimmten Sprachgebrauch geht. Die Kerngebiete Preußens – mit der Hauptstadt Berlin – liegen im Bereich von Klempner, Tischler/Discher und Böttcher.[2]

Quelle des Gedichttextes

  • Herzog, Hartmann: In Freid un Leid un Ewwermut. Altes und Neues in Kasseler Mundart [Sammlung]. [Hrsg. u. mit Vorwort von] A[rnold] Latwesen. Melsungen, Heimatschollen [1934]. S. 22 – 31. – Selbständige Veröffentlichung des Gedichtes Der nu prei’sch kunfermirte Schorsche Botterwecke … bereits um 1875.

Quellen zum Artikel

  • Guth, Werner: Hartmann Herzog – Beobachter sprachlicher Veränderungen. In: Der Mundart-Kurier[3] 7, 2006, S. 13.
  • König, Werner: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. Mit Mundartkarten. 10., überarb. Aufl., München 1994. – Hier: Tafeln S. 192 (Klempner/Spengler), 193 (Böttcher), 194 (Tischler/Schreiner).

Querverweise

Amerkungen

  1. Guth 2006.
  2. Auffällig ist, daß der heimische Faßbinder nicht auf der Karte Böttcher ausgewiesen ist. Zu bedenken ist allerdings, daß die Karten den Stand von 1940 wiedergeben; das Vorkommen und die Verbreitung einzelner Bezeichnungen im Jahre 1875 oder früher dürfte hiervon gelegentlich abweichen.
  3. Der Mundart-Kurier ist die Vereinszeitung der Gesellschaft für Nordhessische Mundarten e. V.
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