„anken“

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Von Werner Guth


Vilmar gibt in seinem „Idiotikon“ zum Stichwort anken folgende Erklärung: „... stöhnen, seufzen, welche beiden Wörter dem Volke gänzlich unbekannt sind. In ganz Hessen sehr üblich, wie in dem grösten Theil von Niederdeutschland.“

Man könnte meinen – und es wird gelegentlich auch so gedeutet –, daß anken mit Anke zusammenhängt: betrübt sein, den Kopf hängen lassen, also die Anke beugen, und stöhnen.

Tatsächlich hat aber das mundartliche Verb anken mit Anke nichts zu tun, es hat aber ein ebenso erstaunlich hohes Alter.

Im Alt- und Mittelhochdeutschen ist anken nicht belegt, aber im Mittelniederdeutschen. Es scheint also bei den südlichen deutschen Mundarten schon früh verloren gegangen zu sein. Das Wort ist zweifellos germanisch: Es findet sich zwar nicht in dem mit dem Deutschen nah verwandten Englischen – beide sind sog. westgermanische Sprachen –, kommt aber im Nordgermanischen, also im Skandinavischen, vor: vgl. norweg. (dialektal) ank ,Gewimmer, Seufzen, Kummer, Reue‘, dän. ank, anke ,Klage, Beschwerde‘ und – mit Ablaut – dän. ynke und schwed. ynka ,bemitleiden, beklagen‘.

Wie Anke hat auch anken in einigen indogermanischen Nachbarsprachen Verwandte, ist also ein indogermanisches Erbwort. Die Sprachwissenschaftler haben als indogermanische Wurzel *enq-, Ablautform *onq-, mit der Bedeutung ,seufzen, stöhnen, brüllen, brummen‘ rekonstruiert.

Im folgenden [...] einige Beispiele von Wörtern aus indogermanischen Sprachen, in denen dieselbe Wurzel vorliegt: altgriech. onkáomai ,schreie, brülle‘ und óknos ,Rohrdommel‘; latein. uncare ,brummen, brüllen (im Hinblick auf den Bären)‘; alban. angój ,ächzen, seufzen, klagen‘; russ.-kirchenslaw. jau ,seufzen‘; kymrisch (eine kelt. Sprache) och ,das Seufzen, das Stöhnen‘.


Aus: Der Mundart-Kurier – Mitteilungen der Gesellschaft für Nordhessische Mundarten, Nr. 1, 2004, S. 14.


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